JILL SCHWEIGER

Neue Arbeiten, 2014

Die 1981 in Recklinghausen geborene Künstlerin Jill Schweiger gilt zurecht als Grenzgängerin unter den AktionskünstlerInnen ihrer Generation.

Auch wenn ihre frühen Arbeiten in der Rezension als pubertär oder auch sinnlos bezeichnet wurden, zeigt sich schon in ihrer ersten großen Performance A40 von 1996 der Fokus ihres Schaffens: 

In einem roten Opel Corsa fährt die Künstlerin auf der A40 Ruhrautobahn eine 21-tägige Endlosschleife zwischen der Anschlußstelle Essen-Huttrop und dem Kreuz Bochum. Einem Blutkörperchen gleich, legt sie dabei auf der Lebensader ihrer Heimatregion Ruhrgebiet eine Strecke zurück, die der durchschnittlichen Gesamtlänge der Blutbahn eines Menschen entspricht.

Die Fahrtgeschwindigkeit wird dabei von den Unkonstanten Verkehrsfluss (=Puls) und Verkehrsaufkommen (= Frequenz) reguliert.

Der Wagen wurde zur Konservierung des während der Aktion generierten Mikroklimas (Zigarettenrauch, Schweiß, Frittenfett) versiegelt und ist heute Teil der Sammlung des Verkehrstechnischen Museums in Braunschweig.

In den folgenden Arbeiten 9mm (Auf Wolken schießen) und 2.180 über NN (Gletscherschmelze) zeigt sich der virtuose Umgang der Künstlerin mit vermeintlich banalen Objekten und der normativen Kraft des Faktischen.

Jill Schweiger
9mm (Auf Wolken schießen), 2001
Gobelin 13 x 3,60 Meter, Mixed Media Patchwork, Rosshaar, Lebensmittelfarbe, Fair Trade Rupfen

Den Internationalen Durchbruch schaffte Schweiger mit Ihrer Installation 1,618 im Rahmen der Olympischen Sommerspiele in London 2012.

Die Wassermenge in einem vor der Tate Modern installierten, offenen Becken mit den Abmessungen 26:16,07 Metern (entsprechend 1,618 = goldener Schnitt) wird hier durch kalkulierten Dauerregen konstant gehalten, was das Überleben der darin befindlichen Barsche garantiert.

Bei EDWAN zeigt Jill Schweiger erstmals ihre Mixed Media Installation 0,33 cl (Kleiderbügeldraht, Palette Dosenbier, Blockeis).

Der anfängliche Kühlungseffekt des Dosenbiers durch das Blockeis kehrt sich im Laufe des Abschmelzens desselben ins Gegenteil. Durch Abtrinken wird der Erwärmung der Dosen gegengesteuert. Gleichzeitig werden die entstehenden Schmelzwasserpfützen durch die Füße des Publikums großflächig im Raum verteilt und in Echtzeit zum Verdunsten gebracht. 

Hier schließt sich der Kreis in Jill Schweigers Oevre: In ihren Arbeiten materialisieren sich wiederkehrende Zeit- und Raumfenster zum Unterbewusstsein, die es zu identifizieren und zu passieren gilt.