FRITZ „CHEF“ KUNZ

20 Jahre nach Kunz’ Tod zeigt EDWAN jetzt eine Retrospektive des deutsch-amerikanischen Multitalentes.

In seinem sich sämtlichen gängigen künstlerischen Kategorien entziehenden Werk überlagern sich Provokation und Authentizität mit dem Moment des möglichen Scheiterns und stellen so einen Gegenwartsbezug von hoher Aktualität her.

Der 1969 in Los Angeles als Sohn deutscher Immigranten geborene Kunz erhält seinen Spitznamen „Chef“ als ironische Anspielung auf seine kurzzeitige Tätigkeit als Küchenhilfe in einem Burger-Restaurant in Venice Ende der achtziger Jahre.

Kunz’ künstlerisches Selbstverständnis gründet nach eigenen Angaben auf ein Treffen mit Martin Kippenberger 1992 bei einer seiner Gastvorlesungen in Yale.

Aus dieser Zeit datieren erste künstlerische Arbeiten in Form von lautmalerischen Textfragmenten („Sprecken se Ä?“, „Krachmatz“), in denen sich Kunz mit den Themen Herkunft, Entfremdung und Vermächtnis auseinandersetzt.

Die textliche Arbeit geht in den folgenden Jahren im Soundkollektiv „Pax Ultra Stretch“ auf, das sich um Uli Kunkel, dem Soundtüftler aus dem Dunstkreis um die DAV (Deutsch-Amerikanische Freundschaft, „Tanz den Mussolini“), gruppiert hatte.

Düster-melancholische Wortcollagen verdichteten sich mit treibendem Uptempo-Beat in mehrstündigen Auftritten zur physischen Höchstbelastung für alle Beteiligten.

1994 nimmt Kunz mit der Performancetruppe „Ene Mene Macramé“ am Burning-Man-Festival in der Wüste von Nevada teil.

Die Wüste wird für Kunz in den folgenden Jahren – als Gegenpol zum umtriebigen Los Angeles – zur Plattform für seine künstlerischen Projekte aber auch für seine obsessive Suche nach körperlichen Grenzerfahrungen.

Fritz „Chef“ Kunz Atelier (Bildmitte links) in der Wüste von Arizona
Luftaufnahme des Künstlers aus 12.324 m Höhe

In einem aufgelassenen Airforce-Stützpunkt in der Nähe von Phoenix/Arizona richtet Kunz mit einem kleinen Team sein Headquarter „Mindset HQ“ sowie in der Folge einen Boxclub, ein Tattoostudio sowie eine Motorradwerkstatt ein.

Die kontemplative Abgeschiedenheit des Wüstenstandortes wird jedoch durch regen Publikumsverkehr von Kunst- wie Geschwindigkeits-Afficionados auf eine harte Probe gestellt, woran Kunz’ folgende Arbeit maßgeblichen Anteil hat:

Fritz „Chef“ Kunz
Überholprestige
Öl auf Leinwand, 1995/96

Im Langzeitprojekt „Ueberholprestige“ bildet er einen deutschen Autobahnabschnitt mit überhöhten Kurven ab und lädt zahlendes Publikum ein, sich während der „NO LIMITS“-Sessions dem Hochgeschwindigkeitsrausch in deutschen Oberklassefahrzeugen hinzugeben.

Dem kurzfristigen Kick setzt Kunz die Endgültigkeit eines für jeden Teilnehmer individuell gestalteten Tattoos voran, das vor Ort realisiert wird und als Teilnahmevoraussetzung gilt.

Kunz wird 1997 zur DOCUMENTA X in Kassel eingeladen, vermutlich auf Betreiben seines alten Mentors Kippenberger.

Der persönlich nicht anwesende Kunz soll täglich per Livestream ins Museum Fridericianum zugeschaltet werden, um im Rahmen der Performance „Hessisch Roulette“ (Abb. oben) in interaktiven Kontakt mit dem Messepublikum zu treten.

Obwohl Kunz größtmögliche Sicherheit für alle Beteiligten verspricht, wird die Aktion bereits nach wenigen Tagen vom LKA Wiesbaden gestoppt.

Im selben Jahr wird Kunz mit seinem Ex-Bandkollegen Uli Kunkel für die stark autobiographisch geprägte Rolle der Nihilisten im späteren Kultfilmklassiker „The Big Lebowski“ der Brüder Joel und Ethan Coen angefragt.

Noch vor Beginn der Dreharbeiten verunglückt Fritz „Chef“ Kunz bei dem Versuch eines Geschwindigkeitsrekordes mit einem düsengetriebenen Motorrad auf den Bonneville Salt Flats in Utah tödlich.

Fritz „Chef“ Kunz auf raketengetriebenem Motorrad, 1997

EDWAN plant im Rahmen der Restrospektive „KUNZ ALIVE“ eine limitierte Anzahl von kunzschen Originaltattoos anzubieten, die wiederum live und vor Ort realisiert werden.